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216305

(1994) Ästhetik, Stuttgart, Metzler.

Von der Polis zur Postmoderne

Terry Eagleton

pp. 376-429

Hören wir uns eine simple Geschichte an. Sie klingt wie eine Fabel und sie könnte von Max Weber sein: Wir stellen uns eine Gesellschaft vor, irgendwann in einer nicht genau festgelegten Vergangenheit, vielleicht vor dem Aufstieg des Kapitalismus, vielleicht gar vor dem Sündenfall, unbedingt jedoch vor der Aufspaltung unserer geistigen Fähigkeiten, als die drei großen Fragen der Philosophie — Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Zu was fühlen wir uns hingezogen?— noch nicht voll voneinander zu unterscheiden waren. Es geht also um eine Gesellschaft, in der die drei mächtigen Bereiche des Kognitiven, des Ethisch-Politischen und des Libidinös-Ästhetischen noch weithin miteinander verbunden waren. Das Erkennen wurde noch durch gewisse moralische Imperative eingeschränkt— es gab bestimmte Dinge, die man besser nicht wissen sollte —, und es wurde nicht als rein instrumentell aufgefaßt. Die ethisch-politische Frage — Was sollen wir tun?— wurde nicht einfach als das Problem einer Intuition, einer existentiellen Entscheidung oder einer unerklärlichen Vorliebe betrachtet, sondern setzte eine genaue Kenntnis dessen voraus, was wir waren, also der Struktur unseres gesellschaftlichen Lebens. Es gab mithin eine Beschreibung unseres Seins, aus der sich ableiten ließ, was wir sein sollten oder werden konnten. Die Kunst war noch nicht scharf vom Ethisch-Politischen getrennt, sondern stellte eines seiner wichtigsten Medien dar. Sie war auch nicht leicht vom Kognitiven zu unterscheiden, da sie als eine Form gesellschaftlicher Erkenntnis angesehen werden konnte, die sich im Rahmen bestimmter ethischer Normen bewegte. Sie hatte kognitive Funktionen und ethisch-politische Auswirkungen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03510-3_15

Full citation:

Eagleton, T. (1994). Von der Polis zur Postmoderne, in Ästhetik, Stuttgart, Metzler, pp. 376-429.

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