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222014

(1972) Studien zur soziologischen Theorie, Dordrecht, Springer.

Der Fremde

Alfred Schütz

pp. 53-69

Diese Abhandlung möchte mit den Mitteln einer allgemeinen Auslegungstheorie die typische Situation untersuchen, in der sich ein Fremder befindet, der versucht, sein Verhältnis zur Zivilisation und Kultur einer sozialen Gruppe zu bestimmen und sich in ihr neu zurechtzufinden. Für diesen Zweck soll der Begriff "Fremder" einen Erwachsenen unserer Zeit und Zivilisation bedeuten, der von der Gruppe, welcher er sich nähert, dauerhaft akzeptiert oder zumindest geduldet werden möchte. Das hervorragende Beispiel dieser sozialen Situation ist der Immigrant, und mit diesem Beispiel im Blick wurden die folgenden Analysen einfachheitshalber ausgearbeitet. Aber keineswegs ist ihre Gültigkeit auf diesen Spezialfall beschränkt. Wer sich in einem geschlossenen Club um Mitgliedschaft bewirbt, der zukünftige Bräutigam, der in die Familie seines Mädchens aufgenommen werden möchte, der Junge vom Land, der auf die Universität geht, der Städter, der sich in einer ländlichen Gegend niederläßt, der "Freiwillige, " der in die Armee eintritt, eine Familie, wo der Vater arbeitslos war, und die jetzt in eine wirtschaftlich expandierende Stadt zieht — hier sind sie alle Fremde, entsprechend der eben gegebenen Definition, obwohl in diesen Fällen die typische "Krisis," welche der Immigrant durchmacht, leichter verläuft oder auch ganz ausbleibt. Jedoch schließen wir absichtlich von unserer vorliegenden Untersuchung bestimmte Fälle aus, die, wenn wir sie mit hineinnehmen wollten, unsere Definition verändern würden: a) der Besucher oder Gast, der nur einen vorübergehenden Kontakt mit der Gruppe sucht; b) Kinder oder Primitive; c) die Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen verschiedener Zivilisationsstufen, wie es z.B. bei den Huron der Fall war, die man nach Europa gebracht hatte — ein Beispiel, das einige Moralisten des 18. Jahrhunderts zu nennen beliebten. Weiterhin ist es nicht der Zweck dieser Abhandlung, über die Prozesse der sozialen Assimilation und sozialen Anpassung zu handeln, die in einer übergroßen und zum Teil ausgezeichneten Literatur 1 beschrieben werden, sondern über die Situation der Annäherung (approaching), die jeder möglichen sozialen Anpassung vorhergeht und deren Voraussetzungen enthält.

Publication details

DOI: 10.1007/978-94-010-2849-3_3

Full citation:

Schütz, A. (1972). Der Fremde, in Studien zur soziologischen Theorie, Dordrecht, Springer, pp. 53-69.

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