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222302

(2007) Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler.

Choreographie und Regelung

Stefan Rieger

pp. 162-182

Es gehört zu den Obliegenheiten der Naturwissenschaften, die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Seinsarten und Naturreichen zu schärfen. So ist es ihnen darum zu tun, möglichst geeignete Kriterien zur Bestimmung und zur Abgrenzung von Menschen, Tieren und bloßen Gegenständen anzugeben.4 Anders ist es um die Kultur bestellt, die eines ihrer zentralen Phantasmen gerade aus dem Unterlaufen dieser Grenze zieht. Menschen, Tiere und Gegenstände, vom technischen Artefakt bis zu einem bloßen Ding in der Umwelt, erscheinen in dieser Hinsicht als relativ zueinander positionierbar und nicht als kategorial voneinander getrennt.5 Der Versuch, die Grenzen der Seinsarten zu unterlaufen, unterläuft dabei selbst jene Rationalität, die als herausgestellte Eigenart des Menschen Tieren, Pflanzen und nicht zuletzt auch Maschinen durch eine ebenso lang andauernde wie beredte Tradition in Abrede gestellt wird.6 Diese nicht als Verlust, sondern umgekehrt als Spezifikum einer auf Steigerung angelegten Moderne zu veranschlagen, ist ein Topos eben dieser Moderne, der eines seiner erzählbaren Exempla mit den Beispielen aus Heinrich von Kleists Abhandlung ›Über das Marionettentheater‹ aus dem Jahr 1810 gefunden hat: In den Episoden vom Tänzer und der Marionette, von dem durch einen Spiegel um seine Unschuld gebrachten Jüngling und dem fechtenden Bären sind Konstellationen gegeben, die allesamt um Begriff und Sache einer phänomenalen Identität kreisen.7 Wie etwa erfahren (und wie versichern sich Lebewesen) ihrer eigenen Identität — in einer Lebenswelt, in der sie es mit Marionetten, mit Tieren und eben auch mit ihresgleichen zu tun haben?8

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-00319-5_13

Full citation:

Rieger, S. (2007)., Choreographie und Regelung, in G. Brandstetter, S. Doering & G. Blamberger (Hrsg.), Kleist-Jahrbuch 2007, Stuttgart, Metzler, pp. 162-182.

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